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Die Ladiner in Norditalien

Die ladinische Volksgruppe

In den Dolomiten befinden sich die größten Siedlungsräume der Ladinerinnen und Ladiner. Diese liegen in Gröden (Val Gardena) und im Gadertal (Val Badia), im Fassatal (Val die Fassa), in Buchenstein (Fodom) und in Ampezzo (Anpëz). Diese Talschaften liegen in Südtirol und Belluno (Region Venetien).

Ladinisches Gebiet - Urheber: WP-User: Hanno - GFDL
Urheber: Wikipedia-User: Hanno - GFDL

Außer in diesen fünf Haupttälern wird auch in angrenzenden Tälern (Comolico, Agordino und Cadore) ladinisch gesprochen. Die Sprache des Nonstals (Val di Non) in der Provinz Trient, die geografisch von den anderen ladinischen Gebieten getrennt ist, wird von einigen Forscherinnen und Forschern ebenfalls dem Ladinisch zugeordnet. Etwa 30.000 Menschen haben Ladinisch als Muttersprache. Damit gehört es zu den kleinsten Sprachgruppen Europas. Die Volksgruppe wird von der EU als sprachliche Minderheit anerkannt und genießt somit besonderen Minderheitenschutz.

Sprache und Geschichte

Mit der Einverleibung der Region in das Römische Reich ging eine Romanisierung der dort ansässigen keltischen und rätischen Volksgruppen einher. Die Bezeichnung „ladinisch“ leitet sich von lateinisch ab, da es sich um eine so genannte vulgärlateinische Restsprache handelt. Es ist eine eigenständige romanische Sprache, die wiederum in fünf Idiomen gesprochen wird. Sprachwissenschaftlichen Theorien zufolgen ist das Ladinisch ist eng verwandt mit dem Bündnerromanisch in Graubünden und dem Furlanisch im Friaul. Diese Sprachen bilden zusammen die Gruppe der rätoromanischen Sprachen. Die rätoromanische Ursprache wurde zur Zeit der Völkerwanderung verdrängt, als im 6. Jahrhundert bajuwarische Stämme ins heutige Norditalien eindrangen. Im Süden wurde die Sprache zunehmend vom Italienischen überlagert. Dadurch haben sich das Rätoromanisch bzw. Ladinisch nur in den Dolomitentälern erhalten.

In der Forschung gibt es jedoch unterschiedliche Meinungen darüber, ob man das Ladinisch, das Bündnerromanisch und das Furlanisch, deren Sprecher kein zusammenhängendes Siedlungsgebiet haben, tatsächlich in einer gemeinsamen Obergruppe zusammengefassen kann. Über die Frage ob es überhaupt eine rätoromanische Ursprache gab, von der viele Sprachwissenschaftinnen und Sprachwissenschafter ausgehen, wurde und wird viel diskutiert. Bekannt ist dieser Diskurs in Fachkreisen als Questione Ladina. Im Gleichklang mit dem europäischen Zeitgeist des 19. Jahrhunderts entwickelte die ladinische Bevölkerung in dieser Zeit ein besonderes „Nationalbewußtsein“. Der Filosof und Priester Micurà de Rü, auch Nikolaus Bacher genannt, (1789–1847) erfasste erstmals die Grammatik der ladinischen Sprache bzw. versuchte erstmals diese zu verschriftlichen.

Problematisch wurde die Situation als die Region nach dem Ersten Weltkrieg von Österreich an Italien fiel. In Italien wurde das Ladinisch vielfach als italienischen Dialekt und nicht als eigenständige Sprache gesehen. Diese Betrachtung stützte sich jedoch eher auf politische als auf sprachwissenschaftliche Aspekte. Die ladinische Volksgruppe wurde in weiterer Folge nicht im Gruber-De-Gasperi-Abkommen (Pariser Abkommen) von 1946 berücksichtigt, das den Schutz der deutschsprachigen Minderheit in Italien gewährleisten sollte.
Erst 1972 erhielten die südtiroler Ladinerinnen und Ladiner – im Zuge der Durchsetzung der Südtiroler Autonomie – Minderheitenrechte. 1976 wurde das Istitut Ladin Micurà de Rü gegründet. Diese wissenschaftliche Einrichtung hat sich die Erhaltung und Pflege der ladinischen Sprache und Kultur zur Aufgabe gemacht. Die Hauptniederlassung liegt in St. Martin in Thurn, wo sich auch das Ladinische Landesmuseum Schloss Thurn befindet.

Ladinische Kultur

Architektur

Die ladinische Kultur hat einen eigenen Baustil für Wohnhäuser entwickelt, der sich aufgrund historischer Entwicklungen in vier Gruppen teilt. Unterschieden wird zwischen romanischen und gotischen Häustertypen sowie zwischen dem Pilzhaus und dem Haus des 19. Jahrhunderts.

Bildende Kunst und Kunsthandwerk

In St. Ulrich, Pozza und Cortina d’Ampezzo befinden sich Kunstlehranstalten, in denen ladinische Kunst gefördert wird. Auch Schülerinnen und Schüler nicht ladinischer Abstammung besuchen diese Institute. Kunst und Kunsthandwerk stützen sich auf eine lange Tradition, die ihre Wurzeln in der sakralen Kunst hat.
In den meisten Kirchen der Region sowie an Häusermalereien kann man den ladinischen Stil bewundern. Sehenswert sind besonders die Malereien an der Apotheke (Ciasa de i Pupe) oder an der Raiffeisenkasse in Cortina d’Ampezzo.

Der Maler Valentino Rovisi (1715–1783) war einer der frühesten bekannten ladinischen Künstler. Heute genießen viele Künstlerinnen und Künstler internationales bzw. überregionales Ansehen für ihre Arbeiten, wie beispielsweise Gilbert Prousch (Gilbert&George), Markus und Adolf Vallazza, Milly Schmalzl u.v.a.

Literatur

Sagen und Märchen, die lange Zeit mündlich überliefert wurden, berichten aus vorchristlicher Zeit. Darin kommt der Frau eine sehr bedeutende Rolle zu. Nur wenige dieser Erzählungen wurden verschriftlicht. Karl Felix Wolff (1879–1966), ein autodidakter Volkskundler, veröffentlichte vor dem Ersten Weltkrieg eine Sammlung ladinischer Sagen. Seit dem 19. Jahrhundert gibt es nicht nur erste wissenschaftliche Studien, sondern auch dichterische Werke auf ladinisch. Matie Ploner (1770–1844) verfasste 1807 sechs Erzählungen und zwei Gedichte. Zu nennen sind außerdem Autoren wie Tone Agreiter (1809–1840), Angelo Trebo (1862–1888) oder Joani Gregorio Domenego Caisar (1821–1867). Das erste vollständige Buch in ladinischer Sprache ist die Storia d’S. Genofefa von Jan Matî Delcara aus dem Jahr 1878. Aktuell ist die Autorin Rut Bernardi (geb. 1962) hervorzuheben. Bernardi schreibt in ladinischer und deutscher Sprache und hat mit dem Theaterstück Ladin delfin und dem Roman Lëtres te n fol für Aufsehen gesorgt. Iaco Rigo (geb. 1968) begann seine Schriftstellerkarriere mit dem Gedichtband Momonć und verfasste darüber hinaus zahlreiche Musiktexte, Erzählungen, Romane und Theaterstücke.

Ladinische Kultur heute

Sprache, Kunst und Kultur werden vielfach auch durch Vereine und anderen Einrichtungen erhalten und gepflegt.
Da die Regionen wirtschaftlich in erster Linie vom Tourismus abhängig sind, sind Kultur und Brauchtum stark in die Fremdenverkehrswirtschaft eingebunden. Darauf deuten beispielsweise die Kunsthandwerksläden hin, die ladinische Schnitzereien und Schmiedearbeiten anbieten. Umgekehrt stellt der Tourismus aber auch einen wichtigen Motor für die weitere Pflege und den Erhalt von Kultur, Tradition und Brauchtum dar und stärkt zusätzlich das Bewußtsein für die regionale Identität.

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